Der gebürtige Linzer Thomas Gruber arbeitet seit 2005 bei ProSiebenSat.1Puls4
© P7S1P4_Moni Fellner
„Sauberes Schreiben“: Thomas Gruber über Programme, Pläne und Senderprofile
vonKristallsilber
21.01.2023, 04:00
Nach Abschluss der Auflagen des Bundeswettbewerbsamtes zum Jahresende ist die Zusammenführung von ATV und Puls4-Sendern nun vollständig umgesetzt. ATV-Geschäftsführer Thomas Gruber ist nun auch Sendermanager und leitet damit die beiden größten Privatfernsehsender Österreichs. Im Interview für KOURIER spricht Gruber darüber, wie die österreichischen ProSiebenSat.1Puls4-Sender nun aufgestellt werden sollen und ob Berlusconi sich das Programm bereits anschaut.
Ab dem 1. Januar sind Sie Leiter aller ATV- und Puls4-Stationen. Ihre erste Aufgabe wird es wahrscheinlich sein, die Synergien zu nutzen?
Formal sind am 31. Dezember sämtliche Auflagen der Bundeswettbewerbsbehörde ausgelaufen, die fast sechs Jahre lang aufrechterhalten werden mussten. Die Stärken beider Sender, beider nun zusammengelegter Nachrichtenabteilungen ermöglichen es uns, die Ressourcen anders für unser Publikum zu nutzen und die thematische Bandbreite zu erweitern, weil es keine Doppelspurigkeiten gibt. In der Unterhaltungsbranche ist es jetzt einfacher. Formate und deren Ausrichtung können besser aufeinander abgestimmt werden, wodurch wir Senderprofile verfeinern. Dies betrifft vor allem die Positionierung von Puls4. Synergieeffekte waren bereits beim Lizenzerwerb vorhanden, z.B. B. Serien und Filme, für die ich auch verantwortlich bin. Auch im technischen Bereich haben wir zusammengearbeitet.
KulturMedien
Thomas Gruber wird Leiter der Sender ATV und Puls4Die Autonomie der Informationsbereiche war ein wichtiges Anliegen der Wettbewerbsbehörde. ATV war schon immer erfolgreicher mit eigener Informationsfarbe, eigenen Formaten wie „Die Woche“, einem eigenen Chefredakteur, während Puls4, etwa bei Wahlen, noch nie so relevant war. Wie sieht die Aufstellung jetzt aus? Ist die Chefin der großen Nachrichten, Corinna Milborn, die alles beobachtet, jetzt allein in der Puls4-Gruppe?
Corinna Milborn leitet weiterhin als Director of Governance Information den gesamten Informationsbereich. Auch hier werden Stärken gebündelt und Synergien genutzt. Ein Beispiel auf Programmebene ist der neue Hauptabend im Puls24 mit „Wildumstreit“. Von Montag bis Donnerstag ab 20:15 Uhr debattieren polarisierende Gäste wie Eva Glawischnig, HC Strache und Ursula Stenzl im Haus von Werner Sejka. Alle erfolgreichen ATV-Formate wie „ATV aktell: Die Woche“ oder „Im Focus“ bleiben unverändert bestehen. Das beliebte Trio aus Moderator Meinrad Knapp, Politikwissenschaftler Thomas Hofer und Meinungsforscher Peter Hajk wird natürlich auch in der Wahlberichterstattung in Niederösterreich auftauchen.
Antihelden und positive Denker
Auch in puncto Unterhaltung weiß man bei ATV, was man bekommt: von „Bauer sucht Frau“, „Mein Gemeindebau“ bis zum neuesten Format „Forsthaus Rampensau“. Bei Puls4 ist die Positionierung nicht so klar. Jetzt investiert er auch in den Sport. Manchmal sieht man ein Format, sagen wir „NCIS“, auf drei Stationen in einer Gruppe, nur zu unterschiedlichen Zeiten. Wie wird es jetzt sein?
Ein Beispiel für „NCIS“ ist die klassische inhaltliche Synergie im Bereich der Fiktion. Das ist nicht ungewöhnlich, zumal es zu unterschiedlichen Zeiten läuft. Im Gegensatz zu ORF, wo Formate in ORF1 und ORFIII gleichzeitig angezeigt wurden, ist dies bei uns nicht der Fall. Sicher ist, dass ATV eine klare Handschrift hat, man weiß, was man als Zuschauer während vier Tagen Eigenproduktion bekommt. Dies ist nun auch bei Puls4 der Fall.
Was wird sich ändern?
Wir entfernen uns von großen Serien und konzentrieren uns zunehmend auf österreichische Fakten-, True-Crime- und Comedy-Formate. Das Leben in Österreich bietet so viele Aspekte, die man aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten kann. Stehen bei ATV Antihelden und Verlierer im Vordergrund, dann liegt der Fokus bei Puls4 darauf, dass die Protagonisten das Leben aktiv und eher positiv angehen und sich so auch mit den dort vorhandenen Problemen und Herausforderungen auseinandersetzen. Dies spiegelt sich in den neuen Dienstagsserien „Very Good for Hollywood“ und „Young Money“ wider. Am Montag spielen wir außerdem einen Comedy-Track mit derzeit „Kitchen Comedians“ „Und wer hat erfunden“. Aber wir testen auch die neuen Farben der Show in Pulse 4. Ab März wird es ein „Easier to Live“-Lifestyle-Format mit der Ernährungswissenschaftlerin Holly Wilkinson geben. Am 14. Februar schicken wir drei große Köche, die Österreicher Alexander Kumptner, Frank Rosin und Ali Güngörmus, auf den „Roadtrip America“. Es handelt sich um eine Koproduktion von Puls4 mit Kabel1. Ab dem 27. Februar schauen wir bei „Ich frage Taxi“ in die Fahrerkabine. Fantastische Charaktere und lustige Geschichten sind garantiert.
Interview
In einem ATV besteht keine Angst vor SelbstverletzungSie haben von „weniger großen Programmen“ gesprochen. Was bedeutet „2 Minuten 2 Millionen“?
„2 Minuten 2 Millionen“ ist und bleibt fester Bestandteil des Puls4-Programms. Dieses Jahr feiern wir das zehnjährige Jubiläum der Saison. Allerdings werden wir später in diesem Jahr beginnen und das Format dichter gestalten. Ich schließe auch nicht aus, dass es in Zukunft Showformate in Puls 4 geben wird. Aus Profitabilitätsgründen wollen wir jedoch immer mehr auf Formate umsteigen, die auch die Möglichkeit der Weiterverbreitung bieten und günstiger in der Produktion sind. Das hat beim ATV lange Zeit super funktioniert. Auch das „Forsthaus Rampensau“ ist nicht gerade günstig, die Kostendimension ist aber der Jahreszeit angepasst.
Wie unterscheidet sich Puls4, wie ist der Zugang?
Beispielsweise starten wir im Herbst 2022 am Donnerstag in den dritten Tag der Eigenproduktion bei Puls4 und senden inhaltsreiche Dokumentationen zu aktuellen Themen. Sie werden bereits auf unserem Zappn-Streamer „Mothers at the Limit“ oder „Monster Loneliness“ gezeigt und sind verfügbar. Allein im Jahr 2023 werden wir 38 neue Dokumentarfilme produzieren. Wir möchten, dass der Donnerstag bei Puls4 ein Dokumentartag ist, der sich diesen Themen widmet. Immer im Anschluss, um 21:20 Uhr, wird die Sendung des Magazins „Exakt“ ausgestrahlt. Damit steigern wir im Jahr 2023 den Anteil lokaler Eigenproduktion deutlich, und das mit Gemeinwohlformaten, zu denen auch Puls24 gehört. Dies zeigt die möglichen Synergien der gesamten Senderfamilie.
Seltsam
Die österreichische Senderfamilie hat das Supercar-Jahr 2022 gut überstanden. In der Zielgruppe der 12- bis 49-Jährigen hatten Puls4 einen Marktanteil von 4,9 % (-0,3), ATV 4,3 (-0,2), ATVII 1,4 (-0,1) und Puls24 0,9 Prozent. Während Puls4 morgens und am Vorabend stark ist, punktet ATV am Hauptabend.
Programm startet
Puls4: „Super Bowl“ (13. Februar), „Roadtrip America – Drei der besten Köche auf vier Rädern“ (14. Februar), „Take a Taxi“ (27. Februar), „So ist es einfacher“ (März).
ATV: „Business with Love“ (15. Februar), „Die Bambis“ mit Nina „Bambi“ Bruckner (16. Februar), „Orte des Terrors“ (24. Februar), „Sex & Crime“ (24. 3.)
Spiel Fußball
Der Haken: Puls4 hat stark in den Sport investiert und konnte sich überraschenderweise die UEFA Europa League/Conference League sichern. Aber wird es am Donnerstag passieren?
Als der neue Donnerstag geplant und ins Leben gerufen wurde, rechnete niemand damit, dass die Europa League zu Puls4 zurückkehren würde. Es war ein Glücksfall, der es uns ermöglichte, als einziger Free-TV-Sender in Österreich den Fußball der besten europäischen Vereine zu zeigen. Neben der UEFA Europa League/Conference League am Dienstagabend haben wir auch Champions-League-Highlights. Wir müssen sehen, wie wir im Jahr 2024 mit der Dokumentation umgehen. Auf jeden Fall wertet Fußball die Bestzeit von Puls4 enorm auf. Wir freuen uns natürlich auf erfolgreiche Saisons mit den Vereinen vor Ort. Das passt auch gut zur grundsätzlichen Neuausrichtung, mehr Österreich auf Puls4 zu bringen, mehr Inhalte aus Österreich, mehr von dem, was die Österreicher beeinflusst und bewegt.
Für Puls4 ist es wichtig, die Hauptsendezeit zu steigern, was vor allem morgens mit Café Puls und abends mit Onkel Charlie gut abschneidet. Die Stärke von ATV ist der Hauptabend mit bekannten Formaten wie „Bauer sucht Frau“, während der Vorabend so nicht funktioniert. Irgendeine seltsame Situation?
ATV ist der stärkste Privatsender in der Zielgruppe des Hauptabends, Puls4 ist jedoch der stärkste österreichische Privatsender insgesamt. Es ist wichtig, dabei zu bleiben. Um den Marktanteil von Puls4 zu erhöhen, müssen wir in die Hauptsendezeit investieren. Dies geschieht vor allem durch österreichische Produktionen. Genau das passiert am Abend zuvor auf dem ATV. Was nicht passieren wird, ist, dass sich ATV mit der Veröffentlichung von „Bauer sucht Frau“ dem Puls4-Format seiner Eigenproduktion widersetzen wird, das wäre Unsinn. Es gibt klassische Komplementärprogrammierungen, die nun noch besser koordiniert werden können. Das Ziel muss natürlich die Entwicklung der beiden Hauptsender sein.
Geschäft
Schließlich sollte Berlusconi nicht die Kontrolle über ProSiebenSat.1 anstrebenBefürchten Sie nicht, dass ATV und Puls4 sich gegenseitig kannibalisieren?
Natürlich haben wir zunächst für das lineare Fernsehen produziert. Vor allem aber sind es die Inhalte, die wir im digitalen Bereich verbreiten wollen. Das ist die Zukunft. Beispielsweise ist die Tatsache, dass sowohl ATV als auch Puls4 auf wahren Verbrechen zu unterschiedlichen Zeiten basieren, kein Problem. Vereinfacht gesagt können wir sagen: Es ist wichtig, dass wir dem Zuschauer ein Format bieten, das ihm gefällt. Es ist uns wichtig, dass dieses Format auf unseren Plattformen umgesetzt wird. Viele Zuschauer, vor allem junge, schauen nicht mehr linear, sondern streamen ihre Inhalte. Auf Zappn können sie beispielsweise eine Woche vor der linearen Ausstrahlung Episoden ihrer Lieblingssendung kostenlos streamen.
Ramepsau für Deutschland
Wie und in welche Richtung entwickelt sich Zappn und gibt es einen Austausch mit Joyn, der Plattform seiner deutschen Muttergesellschaft?
Zunächst einmal bietet Zappn die Möglichkeit, insgesamt rund 25 Live-Kanäle digital über die App anzusehen. Dazu gehören die Sender ORF und ServusTV. Der zweite Aspekt ist die Medienbibliothek. Die im letzten Jahr erwähnte Pre-Release-Strategie (man kann die zweite Reality-Folge gleichzeitig mit der ersten Folge kostenlos streamen) funktioniert sehr gut. Von der inhaltlichen Seite muss man einräumen, dass Programme auf Zappn schlechter funktionieren als beispielsweise Reality-Formate. Ein positives Beispiel ist die jüngere Vergangenheit des „Forsthaus Rampensau“. Es hatte den stärksten linearen Formatstart auf ATV seit 2005 und war natürlich auch digital verfügbar, ein Format, über das Österreich sprach. Zappn hat sich technisch weiterentwickelt und verzeichnet inzwischen drei Millionen Downloads. Selbstverständlich stehen wir auch im Hinblick auf Programmsynergien im Austausch mit unseren deutschen Kollegen. „Forsthaus Rampensau“ hast du mit Tara auf die Bühne gebracht, und „Sehr gut für Hollywood“ ist auch für dich ein Problem. Im Gegenteil: Bei „Roadtrip America – Drei Spitzenköche auf vier Rädern“ handelt es sich um eine lineare Koproduktion.
Gerade für einen Privatsender sind Ressourcen und Rentabilität wichtige Aspekte. In letzter Zeit wurde viel über ORF-Gebühren und Subventionen für private Medien gesprochen. Über alle Sender hinweg gerechnet erreicht die ATVPuls4-Gruppe vor ihrem ersten Bewerbungstermin im Jahr 2023 rund drei Millionen. Wie wichtig ist Ihnen das?
Diese RTR-Spenden sind natürlich wichtig, denn mit Nachrichten lässt sich, ganz klar gesagt, kein Geld verdienen. Das ist richtig. Andererseits wollen wir diesen Track ausbauen, weil wir ihn für wichtig halten. Aber um die Verhältnisse klarzustellen: Im Vergleich zu den 650 Millionen, die der öffentlich-rechtliche Sender derzeit an Lizenzgebühren erhält, ist das, was wir als größte Privatsendergruppe jetzt erhalten, verschwindend gering. Aber natürlich ist diese Finanzierung ein wesentlicher Teil des Budgets und es ist wichtig, dass wir unseren Nachrichtensender so intensiv nutzen und weiterentwickeln können.
Abschließend kehren wir zum Anfang zurück: der österreichischen Wettbewerbsbehörde. Er steht dem weiteren Engagement der Berlusconi-Gruppe bei ProSiebenSat.1 sehr skeptisch gegenüber. Nun legte er auch Berufung beim Kartellgericht ein. Wie wirkt es sich jetzt auf Sie aus?
Was kann ich dazu wirklich sagen: Ich bin für das Programm verantwortlich, hier in Österreich ist es auch eine Teamleistung. Ich habe noch nie den Einfluss der Eigentümer erlebt und denke, dass ich das auch in Zukunft tun werde.
Vielen Dank für Ihre Rede.
(kurier.at,sic)|21.01.2023, 04:00
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