„Wir verbrennen kein Geld“: Der neue Chef des NDR muss 300 Millionen Euro sparen und will diese Sendungen abschaffen (2023)

Es war kein angenehmes Treffen. Am Donnerstag saß Joachim Knuth, seit Mitte Januar neuer Intendant des Norddeutschen Rundfunks und Nachfolger von Lutz Marmor, im verlassenen Studio von Rolf Liebermann nahe der Hamburger Rothenbaumchaussee vor zwei Kameras. Der 61-jährige ehemalige Hörfunkchef sollte den NDR-Verantwortlichen die schmerzhaftesten Programmkürzungen seit Jahrzehnten erklären. Im ehrwürdigen Ambiente des Saals erklärte er per Videoschaltung, wie er in den nächsten vier Jahren 300 Millionen Euro einsparen will und wie viele Stellen beim NDR wegfallen.

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Die öffentlich-rechtlichen Sender stehen unter erheblichem Druck. Gegen starke internationale Konkurrenten wie Netflix, Amazon, DAZN und Disney muss man kämpfen, die Zuschauer altern, die Preise für Sportrechte explodieren, die Show braucht dringend eine Überarbeitung. Gleichzeitig beschließen die Ministerpräsidenten der Länder voraussichtlich im Juni, den Rundfunkbeitrag von 17,50 Euro auf 18,36 Euro monatlich zu erhöhen. Und dann ist da noch das Thema Digitalisierung. Im Interview mit dem German Publishing Network (RND) erklärt Knuth seine Pläne:

Herr. Knuth hatte im Januar nur wenige Tage als neuer Hauptgeschäftsführer des NDR; Damals begann die Corona-Pandemie. Das nennt man einen Kaltstart.

Zwei Themen beschäftigen mich seit Mitte Januar besonders: Zum einen die Frage, wie damit umzugehen ist, dass der NDR finanzielle Einschnitte vornehmen muss. Das zweite ist Corona. Das war nicht nur für Journalisten absolut verstörend, als wären wir alle in einem unerforschten Gebiet, wo niemand seine Spuren hinterlassen hätte. In den ersten Wochen waren Virologen und Politiker die wichtigsten Protagonisten. Wir wurden Zeugen einer unglaublichen Fixierung auf Führungskräfte...

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Sie meinen das Phänomen, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung der politischen Führung angeschlossen hat.

Ja, mein Eindruck war: Das hat in dieser frühen Phase der Pandemie eine Restsicherheit in der Ungewissheit geschaffen. Ich denke, dass wir als NDR, aber auch die Medien insgesamt sehr schnell und sehr gut auf diese riesige Nachfrage nach Bewertungen von Menschen reagieren. Der Journalismus hierzulande hat in angemessenem Ton, nicht laut, vernünftig und rational und unter schwierigen Bedingungen berichtet.

Einige Leute sind jetzt irritiert, dass die Medien die Position der Regierung fast einhellig gemeldet haben.

In der ersten Phase der Krise ging es darum zu erklären, warum jedes kollektive Verhalten sinnvoll ist. Jetzt ist die Debatte komplexer. Und Corona ist noch lange nicht vorbei. Daher ist es noch nicht an der Zeit für die Schlussabrechnung. Am Ende werden wir natürlich wie viele andere auch die Frage beantworten müssen, ob wir Fehler machen.

Die Nachfrage nach seriösem Journalismus ist seit Beginn der Krise enorm. Einschaltquoten und Einschaltquoten explodieren, überall gibt es Lob und Durchhalte-Aufrufe für Journalisten. Was denken Sie: Wie nachhaltig ist dieser Impuls?

Das ist schwer vorherzusagen. In der ersten Phase haben wir uns als Mittel gut verstanden: Wir haben aufgeklärt, was jetzt gebraucht wird. In der aktuellen Phase sprechen wir als Gesellschaft immer mehr über die Begleiterscheinungen, also die wirtschaftlichen Folgen, über Chancengleichheit in der Bildung oder über die Frage, was aus einem kulturell aufblühenden Land wird. Und schließlich spielt in der dritten Phase auch das Freiheitsbedürfnis einer demokratischen Gesellschaft eine wichtige Rolle. Am Ende muss die Politik für die Gesellschaft und das Gemeinwesen geeignet sein. Dies sollte jedem Einzelnen klar sein. Daher müssen die Medien darauf achten, die Vielfalt der Empfindungen und Wirkungen darzustellen. Inzwischen herrscht eine etwas fiebrige Stimmung. Auch in diesem heftigen Streit um den richtigen Weg müssen die Medien nun Zurückhaltung und Ausgeglichenheit an den Tag legen.

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„Wir verbrennen kein Geld“: Der neue Chef des NDR muss 300 Millionen Euro sparen und will diese Sendungen abschaffen (1)
(Video) Luisa Neubauer: Raus aus der Abhängigkeit von Putin und AKWs | Markus Lanz vom 18. Oktober 2022

"Wenn die 'Tagesschau' um 20 Uhr als Leuchtturm im Alltag versagen würde, würde sich das Krisengefühl heftig verschärfen": "Tagesschau"-Moderatorin Judith Rakers.

© Fuente: NDR/Thorsten Jander

Sehen Sie die Krise auch als Chance, nach jahrelanger harscher Kritik zu zeigen, dass Sie als Mittel des öffentlichen Dienstes unverzichtbar sind?

Alle hochwertigen klassischen Outlets profitierten stark von Glaubwürdigkeit und Vertrauen, was ein ermutigendes Zeichen war. Und auch wir beim NDR haben eine Entwicklung in der linearen Nutzung bei jüngeren Zuschauern erlebt, die vor fünf Monaten nicht möglich gewesen wäre. Die „Tagesschau“ geht in den Millionenstelligen Bereich, der sonst nur ein paar Kappen schafft. Doch können wir im Herbst nachhaltig und belastbar von diesem Applaus im Frühjahr 2020 profitieren? Ich kann Ihnen nicht sagen. Ich denke aber, dass wir nicht nur in unserem Arbeitsalltag einen starken Digitalisierungsschub erleben, beispielsweise beim Arbeiten im mobilen Büro, sondern wir mit unseren digitalen Angeboten auch ganz andere Nutzwerte erzielen als noch vor wenigen Wochen. Für uns bedeutet das, dass uns die nichtlineare Verteilung mindestens genauso wichtig ist wie die lineare Verteilung. Corona hat dieses Verständnis definitiv beschleunigt.

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Damit kommen wir direkt zum NDR-Informationspodcast „Das Corona-Update“ mit Christian Drosten, der sich mit insgesamt mehr als 40 Millionen Views über alle bisherigen Folgen hinweg schnell zum Go-to-Format für virologische Themen entwickelt hat. Wie erklärst du es?

Norbert Grundei von N-JOY, der unsere Innovationseinheit Think Radio leitet, erkannte schon früh, dass möglicherweise Informationsbedarf besteht, den die üblichen TV- und Radioformate nicht in dieser Konsistenz und Tiefe liefern können. Er hatte einfach die richtige Nase. Wir waren bereits im Geschäft, bevor der Informationsbedarf in dieser disruptiven Situation dramatisch anstieg. Das Besondere ist, dass die Zuhörer den andauernden Prozess der Beratung erleben, durch den Wissenschaftler zu tragfähigen Schlussfolgerungen gelangen, die möglicherweise immer wieder revidiert werden müssen. Das wirkt auf viele Menschen beruhigend und transparent. Ich finde es schön, wenn wir uns als Branche eingestehen, dass wir nicht alles gleich wissen.

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Ich finde es schön, wenn wir uns als Branche eingestehen, dass wir nicht alles gleich wissen.

Corona hat das ein bisschen auf Sparflamme gelegt, aber Sie haben Ihr Amt in schwierigen Zeiten angetreten: ARD und ZDF stehen unter politischem Druck, sie müssen sich gegen starke internationale Konkurrenten wie Netflix, Amazon, DAZN und Disney wehren, das Publikum ist es Alterung, die Preise für Sportrechte schießen in die Höhe, die Show braucht dringend ein neues Zellheilmittel. Viele Baustellen.

In der Tat.

In der nächsten Beitragsperiode von 2021 bis 2024 wird der Beitrag des Rundfunks voraussichtlich steigen. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkveranstalter (KEF) hat kürzlich empfohlen, die Sendegebühr von 17,50 Euro auf künftig 18,36 Euro pro Monat zu erhöhen. Die Ministerpräsidenten werden voraussichtlich im Juni zustimmen. Bestärkt das nicht Ihren Ruf als unersättlicher Geldverbrenner?

Wir verbrennen kein Geld. Wir haben eine Mission, die uns den Rahmen setzt. Wir haben große Stärken, und die müssen wir in dieser neuen Etappe, in die nicht nur der NDR eintritt, hervorheben. Grundsätzlich hat es in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer eine vernünftige Diskussion darüber gegeben, wie viel wir der Gesellschaft wert sind und welche Rolle wir spielen. Politiker, Medien, Anwälte, Geschäftsleute und unsere Öffentlichkeit führen diese Debatte an. Dem Journalismus wurde in den vergangenen Wochen ohne große Hinterfragung der Status einer „systemrelevanten“ Branche zugesprochen. Das zeigt auch, wie wichtig wir für das Land sind. Wenn die „Tagesschau“ um 20 Uhr wie ein Leuchtfeuer im Alltag ausfallen würde, würde das Krisengefühl stark verstärkt. Ich glaube, dass wir den Kern unserer Mission sehr gut erfüllen: Beratung, Bildung, Information, Anleitung. Und das gilt nicht nur für ARD und ZDF. Was wir als Branche erreicht haben, ist wertvoll und relevant.

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Allerdings: Wäre es nicht besser gewesen zu sagen: Danke liebe Steuerzahler, 8 Milliarden im Jahr sind mehr als genug, verzichten wir auf mehr Geld und geben unser Bestes, Sie nicht weiter zu belasten?

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Unsere Position ist: Wir haben seit 2009 keinen Anstieg der Übertragungsraten gesehen. 2015 sind sie sogar gesunken. Und die Entscheidung liegt nicht bei uns. Es gibt eine Empfehlung der KEF, die jetzt bei den 16 Ministerpräsidenten liegt, und sie werden im Juni entscheiden. Unsere Angebote kosten auch Geld. Und wenn wir systemrelevant sind, dann ist meiner Meinung nach auch die Frage berechtigt, ob man nach zwölf Jahren etwas mehr Geld verdient.

Um nicht noch mehr kürzen zu müssen, als wir es ohnehin schon tun, braucht der NDR den monatlichen Beitrag von 18,36 Euro nach zwölf Jahren ohne Aufstockung.

Doch viele andere Outlets haben zu kämpfen: mit sinkender Auflage, mit weniger Anzeigen.

Ich kenne diese Bedürfnisse. Und ich weiß: Der Beitrag des Radios ist hier ein großes Privileg. Doch Corona bedeutet auf absehbare Zeit auch finanzielle Einschnitte.

Aber es gibt auch ein politisches Problem. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig sagt: Die Beitragserhöhung ist Wasser für diejenigen, die ARD und ZDF abschaffen wollen. Diese Debatte hätte er dem Land gerne erspart.

KEF bewertet unsere Kandidatur, zieht ihre Schlussfolgerungen und entwickelt einen Vorschlag an den Premierminister. Daran sind wir nicht beteiligt. Und in jeder Summe findet man immer Leute, die sagen: Das ist zu viel. Ich denke, wir müssen deutlicher machen, wofür das Geld bezahlt wird. Mit unseren Angeboten müssen wir viele Menschen überzeugen: Das finde ich angemessen. Ich finde es berechtigt zu sagen: Um nicht noch mehr kürzen zu müssen, als wir es ohnehin schon tun, braucht der NDR nach zwölf Jahren ohne Erhöhung den monatlichen Beitrag von 18,36 Euro.

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Einige Ministerpräsidenten wollten die Übertragungsgebühren an die Inflationsrate koppeln. Sie wäre automatisch moderat und regelmäßig gestiegen, ohne diesen unwürdigen Ruck alle vier Jahre. Doch für dieses Indexmodell gab es keine Mehrheit. Wie sieht das Beitragssystem Ihrer Träume aus?

Traum? Mit so etwas Kompliziertem wie dem Beitrag des Radios? Das trifft die Ränder meines norddeutschen Protestantismus hart. Wir haben lange über das Indexmodell diskutiert. Ich denke, wenn die KEF und die Länderparlamente sinnvoll integriert worden wären, wäre das eine gute Alternative zum bisherigen zeitaufwändigen Prozess gewesen. Aber das ist jetzt vergossene Milch.

Wir haben sehr wenige junge Zuschauer, Zuhörer, Nutzer. Und wenn wir das erreichen wollen, brauchen wir konsequenten Wandel.

Wie alle Medien befindet sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Umbruch. Der NDR hat ein Finanzvolumen von rund 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Sie müssen Kosten sichtbar senken und gleichzeitig in die digitale Zukunft investieren. Wie soll das genau aussehen?

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, in den nächsten vier Jahren insgesamt 300 Millionen Euro einzusparen. Es ist eine enorme Anstrengung. Und ohne die erhöhten Beiträge wären die Folgen für das Programm viel gravierender, die Folgen für das Programm viel gravierender und die Höhe der Kürzung viel größer. Unser Ziel ist Veränderung und Veränderung in Reduktion.

Als Hörfunkchef sagten Sie, keine der Top-8-Hörfunksendungen des Vier-Länder-Senders NDR sei entbehrlich. Auch der Jazz liegt ihm am Herzen und sein Ziel ist es, dass die beiden Orchester des NDR, Chor und NDR Big Band, auch für das nächste Jahrzehnt erhalten bleiben. Wo willst du sparen?

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Wir werden in den kommenden Jahren deutlich weniger Geld in das gemeinsame Programm der ARD investieren, zum Beispiel in Sportrechte und Fernsehfilmrechte der ARD-Tochter Degeto. Wir werden weniger Unterhaltungssendungen produzieren. Wir werden die Zahl der NDR-„Tatorte“ und „Polizeirufe“ reduzieren; in welchem ​​Umfang und wo genau, ist noch nicht klar. Im Radio wird NDR Info rund um die Uhr ein reines Informationsprogramm sein. Auf sommerliche Landtouren verzichten wir. Wir reduzieren die Anzahl unserer Hauptveranstaltungen deutlich. Das „NDR Klassik Open Air“ in Hannover beispielsweise wurde dieses Jahr ohnehin abgesagt, wird es in seiner bisherigen Form aber auch künftig nicht geben. Das ist alles sehr schmerzhaft und betrifft auch Shows mit beliebten und erfolgreichen Moderatoren. So wird Bettina Tietjens Sonntags-Talkshow „Tietjen talkt“ auf NDR 2 nicht fortgesetzt.

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Was steht noch auf der Crossover-Liste?

Es wird keinen "NDR Comedy Contest" oder Inselberichterstattung mehr geben. Das Programm „Minha Tarde“ ist anders konzipiert und das Sendebudget wird halbiert. Und wir werden die bisher in Hannover produzierten Ausgaben der „NDR Talk Show“ nach Hamburg verlegen, weil das viel Geld spart. Zum anderen zieht der digitale Schlagersender NDR Plus von Hamburg nach Hannover. Comedy-Formate wie „PISA Police“ sind auf N-JOY nicht mehr verfügbar. abwesend. Und in NDR Info wird es kein „Mittagsecho“ oder „Tagesecho“ mehr geben, auch „Zeitzeichen“ werden zum Beispiel entfernt.

Welche Kriterien hast du verwendet?

Bei der quantitativen Erfolgsmessung zählt für uns künftig nicht mehr nur der Marktanteil in der linearen Wiedergabe, sondern die Gesamtreichweite über alle Kanäle. Für Sendungen wie beispielsweise das Medienmagazin „Zapp“, „Weltbilder“ oder „Kulturjournal“ bedeutet dies, dass wir eine multimediale Neuausrichtung gestartet haben, um sie crossmedial zu brandmarken. Das bedeutet nicht, dass es keine linearen Formate mehr gibt, sondern dass es darum geht, alle Verbreitungswege zu erreichen und nicht um mehr Marktanteile im linearen Fernsehen.

Wie stelle ich mir das vor? Blättern Sie durch lange Listen von Shows und kreuzen Sie an, was Ihnen den Tag versüßt hat?

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Wir orientieren uns an den Parametern. Es ging um Exzellenz, Reputation, öffentliche Werte oder Markenfähigkeit in einer Welt der Crossmedia und natürlich um Kosten. Und dann gehen wir jedes unserer Angebote durch und entwickeln anhand dieser sechs Parameter ein Ampelsystem. Rot bedeutet: löschen. Gelb bedeutet: geprüft. Grün bedeutet: unverzichtbar.

Die entscheidende Frage für die zukünftige Legitimität von ARD und ZDF wird sein, ob ihr Angebot den Bedürfnissen der Zuschauer entspricht oder nicht. Jetzt nehmen Sie das, was viele regelmäßige Zuschauer der dritten Sendung gewohnt sind.

Natürlich weiß ich um den Wert unserer Angebote für diejenigen, die nicht mehr in die digitale Empfangswelt eintauchen. Ich respektiere das sehr. Ich möchte nicht alles unter den Fetisch der digitalen Kompatibilität stellen. Aber wenn wir an Zukunft, Wandel, Zielgruppen und Alter denken, ist der Weg in die Nichtlinearität zwingend. Ich denke, in digitale Inhalte zu investieren ist ein besserer Weg, junge Menschen zu erreichen, als unsere linearen Angebote zu verjüngen.

Das heißt, Sie versuchen nicht mehr, die Kleinen dazu zu bringen, den dritten zu sehen, weil Sie gemerkt haben: Ist der Zug abgefahren?

In meiner Vorstellung, und jetzt träume ich wieder, sind die ARD Mediathek und die ARD Audiothek alltägliche Werkzeuge für Menschen, die NDR Info, NDR Fernsehen oder das NDR Landesprogramm nicht einschalten würden. Da müssen wir hin, vor allem bei den Inhalten, die wir besonders gut können: Informationen, Regionalität, Ranking und Recherchematerial. Wir haben sehr wenige junge Zuschauer, Zuhörer, Nutzer. Und wenn wir das erreichen wollen, brauchen wir konsequenten Wandel. Und das muss sich auch in unseren internen Strukturen widerspiegeln.

Es kommt schon vor, dass man bestimmte Senioren mit dem NDR-TV-Angebot nicht erreichen kann. Viele 75-Jährige haben mit den Rolling Stones Kontakt aufgenommen. Und heute Nachmittag im NDR-Fernsehen: „NaturNah: Hilfe! Der Maulwurf ist da!“, dann „Bei aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“, dann „Cazadores de los Andes: El Puma“, dann „Leopard, Seebär & Co.“. Medien: Garten, Tiere, Küche, Medizin.

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Die Gesellschaft verändert sich und mit ihr die Perspektive auf die Frage: Wer ist denn alt? das fühlt sich alt an Wir merken an uns selbst, dass sich das Nutzerverhalten ändert. Deshalb ändern wir unsere Angebote. Und deshalb müssen wir nicht-lineare Angebote nicht nur mit Hirnschmalz produzieren, sondern auch mit Kapazität. Trotz der großen Kürzungen haben wir in den nächsten vier Jahren zehn Millionen Euro für Digital- und Vermittlungsprojekte bereitgestellt.

Genau 731 Stellen hat der NDR seit 1993 auf heute 3.378 abgebaut. Welche personellen Pläne haben Sie?

Wir haben uns bereits vorgenommen, in den acht Jahren von 2017 bis 2024 111 Stellen abzubauen. Zusätzlich zu diesen 111 Stellen werden bis 2028 mindestens weitere 200 Stellen abgebaut. Wir wollen und werden insgesamt rund 10 Prozent unserer Personalkosten einsparen . .

Generell wollen und werden wir nochmals rund 10 % unserer Personalkosten einsparen.

Laut Tarifvertrag sind betriebsbedingte Kündigungen bis 2024 ausgeschlossen.

Daran sind wir gebunden. Die natürlichen Schwankungen, die durch ohnehin geplante Pensionierungen entstehen, müssen also sinnvoll genutzt werden. Unser Ziel ist es, dass die Kollegen weiterhin einen guten Job haben, aber teilweise nicht dort, wo sie jetzt sind. Wir sehen Human Resources nicht mehr als Summe einzelner Bereiche, sondern als gemeinsames NDR-Team über Abteilungsgrenzen hinweg. Und wir werden in Recycling und Qualifizierung investieren. Was wir uns in der Show wünschen, hat natürlich auch einen erheblichen Einfluss auf die Produktion, und auch hier werden wir finanziell sparen: weniger Filmen, weniger Schnitt, weniger Investitionen in die Technik – das werden Zuschauer und Hörer merken Tag.

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Ab Mitte 2021 werden 260 Mitarbeiter aus verschiedenen Redaktionen vom NDR-Standort Rothenbaum nach Hamburg-Lokstedt ziehen und gemeinsam, d. h. über die Medien, produzieren: das Aktuell-Team von NDR.de, das Showradio NDR Info, die Hörfunknachrichten aus der Mitte. Abteilung und der Ressort Forschung des NDR. Es gibt viel Bewegung.

Crossmedialität ist diesmal das große Thema. Und ich möchte, dass wir es mutig annehmen. Was wir jetzt mit diesem neuen „Nachrichtenhaus“ beginnen, werden wir auch auf Sport und Kultur ausdehnen: Fernsehen, Hörfunk und Digital arbeiten an einem Ort zusammen. Es könnte Rothenbaum sein, es könnte auch Lokstedt sein. Der NDR ist eine Vier-Länder-Anstalt. In drei davon arbeiten alle unter einem Dach: in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. In Hamburg ist das noch nicht der Fall. Crossmedialität bedeutet, dass wir wegkommen von einer Haltung, die wir teilweise noch haben: Das ist meins, das ist deins. Ich plädiere für ein noch stärkeres Netzwerk.

Im Herbst 2023 entsteht in Hamburg-Lokstedt ein neues Programmhaus mit 550 Arbeitsplätzen. Der Neubau wurde aufgrund einer Asbestverseuchung durch ein hohes Gebäude notwendig. Aber muss es dann gleich ein Projekt der berühmten Architekten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg von Gerkan Mark und Partner sein?

Wir haben eine Ausschreibung gemacht und das GMP-Projekt war nicht das teuerste. Es ist ein preisattraktives Gebäude mit einfacher Funktionalität, das gut in diese Zeit passt, weil es wirklich ohne Schnickschnack auskommt.

Es ist nicht nur ein logistischer Prozess, sondern auch ein kultureller. Wie groß ist die Aufregung im Haus? Beim NDR brennt es bereits unterm Dach, als die Abendausgabe der „Tagesschau“ um 4.40 Uhr abgesagt wird.

Allen muss klar sein, dass am Ende dieses Prozesses ein neuer NDR stehen wird, mit einem hohen Maß an Flexibilität, gemeinsamem Denken und einer gemeinsamen Vision von seinem Beitrag zu den Informations-, Unterhaltungs- und Meinungsbildungsbedürfnissen dieser Gesellschaft. Und dieser NDR wird nicht mehr alles können, was er bisher getan hat.

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Was ist der Sinn?

Wir müssen unsere Mediatheken so gestalten, dass sie in Usability, Funktionalität, Attraktivität und inhaltlicher Vielfalt mit internationalen Angeboten mithalten können und sich teilweise nur an die Jüngsten richten. Denn das ist das Geheimnis der großen Streamingdienste: Ich gehe durch ein Regal und suche mir aus, was mir gefällt. Auf dem Weg werden wir viel verändern müssen. Ein jüngerer Mensch, der anders sozialisiert wurde als Sie und ich, sollte eine sichere Antwort auf die Frage haben, die er sich in seinen 20ern gestellt hat: Warum bezahle ich die Rundfunklizenz? Das ist das Ziel. Denn das entscheidet über unsere Zukunft.

Welche Streaming-Dienste abonnierst du besonders?

netflix Ein Weihnachtsgeschenk von meinen Kindern. Ich habe Amazon Prime Video vier Wochen lang ausprobiert. Aber das war genug. Und die jüngeren Familienmitglieder abonnieren Sportdienste wie DAZN. Ich selbst schaue mittlerweile mehr non-lineares Fernsehen als lineares Fernsehen, vor allem über unsere Mediathek. Es ist keine Frage des Alters mehr. Und darauf müssen wir eine Antwort haben.

DAS IST JOACHIM KNUTH

Joaquim Knuth,Jahrgang 1959, kommt aus Kiel. Er studierte Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaften und Geschichte in München und Texas und besuchte die Deutsche Journalistenschule. Joachim Knuth ist seit 1985 beim NDR. Von 2008 war er Programmdirektor Hörfunk, bis er im Januar 2020 neuer NDR-Intendant wurde und Lutz Marmor ablöste. Knuth ist mit der Hamburger Rektorin und Oberpfarrerin Ulrike Murmann verheiratet und hat drei Kinder.

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(Video) Strack-Zimmermann und Ulrike Guérot zu Waffenlieferungen und Friedenslösungen | Lanz vom 02.06.22

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1. Extra 3 vom 11.08.2022 im Ersten | extra 3 | NDR
(extra 3)
2. quer mit Christoph Süß - Ganze Sendung vom 14.07.2022
(quer)
3. Aus der Region für die Region: wie lecker schmeckt Mecklenburg-Vorpommern | die nordstory | NDR
(NDR auf'm Land)
4. Sendung vom 31. Januar 2023: Grünkohl im Test, Schutz vor Einbrechern und Co. | Marktcheck SWR
(SWR Marktcheck)
5. Grünes Wachstum – ein kapitalistisches Märchen?!
(Weltethos-Institut)
6. Basta Berlin (162) – Draculas Erben
(Basta Berlin)

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Author: Fr. Dewey Fisher

Last Updated: 06/12/2023

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